Im Wartezimmer Europas. Westlicher Balkan – zwischen Beitrittsperspektive und Wirtschaftsunion

Podiumsdiskussion

7. Dezember 2017, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz.

Gemeinschaftsveranstaltung der Südosteuropa-Gesellschaft, der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz und des Balkanologenverbandes.


Teilnehmer:

  • Artur Kuko, Botschafter Albanien,
  • Željko Janjetović, Botschafter Bosnien und Herzegowina,
  • Skender Xhakaliu, Botschafter Kosovo,
  • Sasho Markovski, Botschafter Makedonien,
  • Dr. Ranko Vujačić, Botschafter Montenegro,
  • Dr. Dušan Crnogorčević, Botschafter Serbien,
  • Ministerialrat Helge Tolksdorf, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Diskussionsleitung:
Dr. Dušan Reljić, Leiter des Büros der Stiftung Wissenschaft und Politik in Brüssel

2014 wurde von EU-Mitgliedern der sog. „Berlin-Prozess“ in Gang gesetzt. Er sollte die regio­nale Zu­sammenarbeit zwischen den sechs Balkanstaaten Albanien, Bosnien-Herzego­wina, Mazedonien, Ko­sovo, Montenegro und Serbien verbessern. Diese Länder hoffen je­doch be­reits seit 2000, als ihnen eine „europäische Perspektive“ in Aussicht gestellt wurde, auf die Eröffnung von konkreten Beitrittsgesprä­chen. Mit Serbien und Montenegro haben die Beitrittsverhandlungen mittlerweile begonnen. Die Bereit­schaft der EU, die sich ange­sichts der raschen Erweiterungswelle der 90er- und 2000-er Jahre überfor­dert sah, war dazu ver­halten; spätestens seit dem Brexit-Votum der Briten ist sie noch mehr in die Ferne ge­rückt. Anderer­seits wächst in der Krisensituation der EU auch in den Balkanländern das La­ger der Euro­skeptiker und Populisten.

Nicht erst seit der jüngsten Flüchtlingswelle entlang der ‚Balkanroute‘ ist allen klar, welch zent­rale Rolle die Balkanregion auch weiterhin für Europa besitzt. Ungelöste Probleme gibt es auch nach der Schlie­ßung der Balkanroute und unabhängig davon: zwischen Serbien und dem Ko­sovo, Makedonien und Griechenland, innerhalb der Föderation Bosnien und Herze­gowina so­wie in Makedonien. Die Hoffnung der Länder auf einen EU-Beitritt sorgt in der Re­gion für Frie­den. Von EU-Erweiterungskommissar Jo­hannes Hahn stammt der Ausspruch, eine „posi­tive Abhängigkeit“ der Balkanländer voneinander könne dazu beitragen, die allge­genwärtigen eth­nischen Spannungen zu entschärfen.

Am 12. Juli 2017 fand in Triest ein „Westbalkan-Gipfel“ statt, auf dem die Möglichkeit eines vom serbi­schen Präsidenten vorgeschlagenen gemeinsamen Wirtschaftsraumes erörtert wurde, der die wirtschaft­liche Attraktivität der Region erhöhen und den Beitritt der Westbal­kanstaaten in die EU vorbereiten könnte.

Eine EU-Mitgliedschaft für das Kosovo krankt jedoch daran, dass es in den Augen Serbiens kein eigen­ständiger Staat ist, sondern zu Serbien gehört. In diesem Zusammenhang sind ähn­liche Probleme vor­programmiert wie zwischen der EU und der Türkei in der Zypernfrage. Mon­tenegro ist unter den sechs Wartenden in seinen Beitrittsverhandlungen am weitesten voran­geschritten; sollte eine Balkan-Zollunion zu einem Ersatz für die volle EU-Mitgliedschaft wer­den, hätte das Land am meisten verloren. Für Ko­sovo hingegen könnte eine solche Union eine Chance bieten, einen ersten Schritt in Richtung EU zu tun.

Demgegenüber bestehen konservative Parteien in Westeuropa darauf, dass es keine neue Erweite­rungsrunde der EU geben soll.

In dieser Gemengelage widersprüchlicher Interessen werden die Teilnehmer der Podiums­dis­kussion darüber diskutieren, wie sich Balkanländer zwischen ihrer Beitrittsper­spek­tive und ih­rer regionalen Ko­operation positionieren und wie ihre aktuelle Situation aus westeu­ropäischer Sicht einzuschätzen ist.

Bericht:
Šljivić, Dragan; Keller, Susanne; Gold, Johannes; Cidilko, Vesna: Im Wartezimmer Europas: Westlicher Balkan – zwischen Beitrittsperspektive und Wirtschaftsunion. Südosteu­ropa-Mitteilungen2018 (1). 117–120.

Fotos: Petar Dajković